Ökologisch dämmen mit Denkmalschutz

Ursprünglich war Cornelia Wiethaler auf der Suche nach einem neuen Büro. Dann fand sie ein altes Bahnhofsgebäude. Dass eine Zeitung das heruntergekommene, graffitiverschmierte Gebäude als „Schandfleck von Heidelberg“ bezeichnete, konnte die Politikwissenschaftlerin nicht abschrecken.

Die wichtigsten Erfahrungen auf einen Blick:

  • ausreichend Zeit für die Planung nehmen 
  • intensiv mit den Handwerker*innen austauschen 
  • in einem Sanierungsfahrplan alle geplanten Schritte genau festlegen
Praxistesterin Wiethaler mit Mann und Familie vor ihrem Haus(c) co2online / Kangu Design

Pfaffengrund-Wieblingen, im Oktober 2018. „Das lohnt sich“, entschied Cornelia Wiethaler. Ein ganzes Jahr hatte sie sich für das Begutachten des alten Bahnhofsgebäudes Zeit genommen. Die Substanz war sehr gut und ihr gefiel die massive Bauweise. Außerdem war das historische Haus glücklicherweise nicht durch frühere Renovierungen oder Umbauten allzu sehr verändert worden. Bevor die 7-fache Mutter jedoch den Kaufvertrag unterschrieb, schlief sie eine Nacht zur Probe im Haus. Immerhin liegt es direkt an den Gleisen und gut 70 Personenzüge rasen täglich nur wenige Meter entfernt vorbei. Der Bahnhof bestand den Schlaftest und Wiethaler unterschrieb den Vertrag. Die Idee, im Bahnhofsgebäude Büros einzurichten, hat sie inzwischen verworfen: „Es ist so schön geworden, dass wir jetzt hier wohnen“.

Das Objekt:

  • historisches Bahnhofsgebäude (denkmalgeschützt), 8 Bewohner*innen
  • Baujahr: 1873
  • Wohn- und Arbeitsfläche: 233 m2
  • Heizenergieverbrauch: 48,00 kWh/(m²a)

Austausch und Beratung in der Planungsphase

Von Anfang an war klar, dass das fertige Haus ein Niedrigenergiehaus werden sollte. Deswegen würden neben den Sanierungsarbeiten auch Dämmmaßnahmen erforderlich sein. „Außendämmen darf man nicht, es ist ja ein denkmalgeschütztes Gebäude“, erklärt Wiethaler, „deswegen haben wir uns die Innenwanddämmung ausgesucht.

In der Planungsphase suchte Cornelia Wiethaler das Gespräch mit Firmen für ökologischen Baustoffhandel und Fachleuten aus der Region. Zudem nahm sie eine Energieberatung in Anspruch. Vor allem der persönliche Austausch mit den jeweiligen Experten war ihr dabei wichtig. Im Netz informierte sie sich in erster Linie über die verschiedenen Dämmstoffe. „Ich war relativ schnell bei Holzweichfaser“, erinnert sie sich. „Die Dämmplatten sind per se angenehm und wohnlich, auch unverkleidet.“ Wegen des langen Transportwegs und fehlender Transparenz bei der Herstellung entschied sie sich gegen ein günstigeres Angebot aus Weißrussland. Das Material wurde schließlich aus der Schweiz geliefert.

Natürlich dämmen: richtig planen

Praxistesterin Cornelia Wiethaler und ihr Mann planen am Computer(c) co2online / Kangu Design

Mit den richtigen Partnern zusammen arbeiten

„Gute Partner sind solche, die alle meine Fragen beantworten und die mir auch zeigen, wie ich einen Teil der Arbeiten selber übernehmen kann. Und die kein Problem haben, mal einen Fehler zuzugeben. Das gilt auch bei den natürlichen Dämmstoffen. Hier sollte man nicht blind vertrauen, sondern ins Gespräch gehen. Fragen Sie genau nach, woher die Sachen kommen.“

Praxistesterin Cornelia Wiethaler vor ihrem Haus(c) co2online / Kangu Design

Keine Kompromiss bei der Sanierung

„Ich habe mich entschieden, es immer substanziell und von Beginn an gut zu machen. Damit nicht in zehn Jahren der Schimmel durch den Gips durch die Wand kommt. Keine Kompromisse! Und nicht nach dem Motto verfahren: Hauptsache, die Oberfläche ist schön und dann den Untergrund vernachlässigen. Man sollte alles von Grund auf betrachten – das macht sich bemerkbar, das strahlt das Haus dann am Ende auch aus.“

Natürlich dämmen: Umsetzung

Gips unter einer Innenwanddämmung birgt immer die Gefahr von Schimmelbildung, der sich bis in den Wohnraum ausbreiten kann. Deshalb musste erstmal der alte Gipsputz von den Wänden geschlagen werden. Das war angesichts der über drei Meter hohen Räume ein echter Kraftakt, den die Familie anfangs in Eigenleistung und dann mit Unterstützung von Handwerkern erledigte. Danach wurden die freigelegten Sandsteinwände mit Lehm verputzt. Nach dem Trocknen wurden die Dämmplatten mit speziellen Dämmdübeln befestigt, darauf die Wandheizung verlegt und schließlich wurde wieder Lehmputz aufgetragen.

Familienprojekt mit fachmännischer Unterstützung

Die Dämmmaßnahmen – inklusive Lehmverputzen durch meinen Sohn Tim, der Lehmbauer ist, und seinen Bruder Kyrel und einige Freunde – haben ohne die Trocknungszeiten gut acht Wochen gedauert.“ Am Ende hat Cornelia Wiethaler dann noch einen hydraulischen Abgleich für die neu eingebaute Innenwandheizung machen lassen. „Gute Entscheidung“, findet sie heute, „weil es im Anbau zuerst nicht richtig warm wurde. Das war danach besser“.

Selbst anpacken und realistisch bleiben

Ehepaar Wiethaler vor ihrem Haus mit einer Dämmplatte.

„Es macht richtig Spaß, wenn man sich drauf einlässt, wenn man sieht, wie es voran geht. Man kann mit der Unterstützung der richtigen Fachleute auch einiges selber machen – zum Beispiel alten Putz abschlagen, Dämmplatten anschrauben, die Wandheizung verlegen oder eine Holz-Innenverschalung anbringen. Das kann man alles auch als Frau und mit der Familie ganz gut machen. Allerdings sollte man sich realistisch fragen: Was schafft man? Für ebene Oberflächen, wie sie als Untergrund für die Dämmplatten gebraucht werden, für schöne Deckputze oder luftdichte Anschlüsse im Dach und natürlich für die Haustechnik würde ich immer Fachleute nehmen.“

Einschränkungen während der Sanierungsphase

„Ein Teil unserer Familie hat während der Dämm- und Sanierungsarbeiten im Bahnhof gewohnt. Da waren die Einschränkungen schon sehr massiv. Das lag aber vor allem daran, dass wir Probleme bei der Lieferung der Fenster hatten und der Putz erst danach fertig gemacht werden konnte. Und die verschiedenen Lehmschichten an den Wänden mussten trocknen. Entsprechend sind wir in dieser Zeit von Zimmer zu Zimmer gezogen. Das Raumklima war allerdings von Anfang an klasse.“

Tabelle: Diese Dämmung ist es geworden bei Familie Wiethaler

Dämmung:
  • Wände: 6 cm Innendämmung
  • Dach: 8 cm Aufdach und 14 cm zwischen den Sparren
Dämmstoffe:
  • Holzweichfaserplatten an den Innenseiten der Außenwände und auf dem Dach
  • zwischen den Sparren Zellulose-Flocken
Weitere Sanierungsmaßnahmen:
  • Holzpellets-Zentralheizung mit Wandheizung in Lehm auf den Dämmplatten an den Außenwänden
  • hydraulischer Abgleich der Heizanlage am Ende
Stand:Oktober 2018

Zuerst wurden das Dach und die Außenwände des alten Bahnhofs gedämmt. Bei der Dachsanierung wurde das Aufdach mit 8 cm dicken Holzweichfaserplatten und zwischen den Sparren mit Zellulose-Flocken gefüllten Dämmsäcken gedämmt. Danach wurden die Innenseiten der Außenwände mit 6 cm dicken Holzweichfaserplatten gedämmt.

Dank von Bahngästen und Nachbarn

Dass die Renovierung eines alten Bahnhofsgebäudes auch andere Menschen erfreuen würde, hatte Cornelia Wiethaler gar nicht bedacht: „Wir erhalten nur positive Reaktionen. Fast täglich kommt jemand und sagt ´Ach, das haben Sie schön gemacht, vielen Dank!´ Damit hatte ich nicht gerechnet.“ Mit dem ehemaligen „Schandfleck“ nimmt die Familie inzwischen sogar am „Tag des offenen Bahnhofs“ teil.

Natürlich dämmen: Erfahrungsbericht von Cornelia Wiethaler

„Ich würde das sofort wieder machen und ich würde es auch nicht anders machen“, sagt Cornelia Wiethaler heute. “Es war in jedem Fall eine lohnenswerte Investition. Jetzt ist es so gemütlich hier“, resümiert sie weiter.

Lohnenswerte Investition: Verzicht auf fossile Energieträger

Praxistesterin Cornelia Wiethaler mit ihrem Mann auf der Couch(c) co2online / Kangu Design

„Es ist meiner Meinung nach immer billiger, wenn man auf fossile Energieträger verzichtet. Wir heizen mit Pellets aus der Region. Wir verwenden kein zusätzliches Monitoring-Tool . Wir lesen die Werte einfach ab und tragen die in unsere Tabellenkalkulation ein. Dadurch wissen wir, dass wir fünfzig Prozent unter dem in der Prognose errechneten Energiebedarf liegen! Wir wohnen mit zehn Leuten hier und haben es gemütlich. Pro Nase haben wir nur etwa zehn Euro pro Monat für Heizung und Warmwasser bezahlt.“

Familie Wiethaler: jährliche Energiekosten für die Heizung
vor der Sanierung19.168 Euro
nach der Sanierung (errechnet)2.671 Euro
Ist-Wert (2018)1.200 Euro

Die Ergebnisse der Maßnahmen sind beachtlich. Die jährlichen Energiekosten der Wiethalers sind gut viermal geringer als in einem vergleichbaren unsanierten Gebäude und lagen 2018 sogar unter dem vorher errechneten Wert.

Beispielrechnung jährliche Heizkosten-Ersparnis (Werte klimabereinigt):

Vergleichbares Gebäude unsaniert6.300 Euro
Gebäude nach der Sanierung laut Berechnung2.670 Euro
Ist-Wert Familie Wiethaler 2018 1.560 Euro
Ersparnis 4.740 Euro

Experten-Tipp: Monitoring-Tools

Monitoring-Tools wie das kostenlose Energiesparkonto bieten gegenüber einfachen Tabellenkalkulationen einige Vorteile:

  • Klimabereinigung: Daten aus besonders kalten und eher milden Wintern vergleichen
  • Umfangreiche Auswertung: nach Verbrauch, Kosten und CO2-Emissionen
  • Einfache Vergleiche: Jahr zu Vorjahr, Monat zu Vorjahresmonat etc.
  • App EnergieCheck: auch mobil Daten sammeln und auswerten

Fazit: Natürlich ist es am besten!

Praxistesterin Wiethaler mit ihrer Familie vor dem Haus mit Baumaterial(c) co2online / Kangu Design

„Mein Fazit für das gesamte Projekt? Natürlich ist es am besten! Es strahlt einem immer wieder entgegen! Wir haben beste Stoffe genommen, die besten Handwerker und auch viel selber gemacht. Und nicht zuletzt: Frauen, schaltet euch ein, macht das selber! Wir haben mehr Gefühl fürs Bauen und mehr Gefühl für die richtigen Stoffe“.

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